Mittwoch, 10. Mai 2017

Ausbleichen in Raten: HZDR-Physiker entdecken neuen Licht-Absorptionsmechanismus in Graphen


Für einen Teil ihrer Experimente nutzten die Dresdner Forscher auch den Freie-Elektronen-Laser FELBE am HZDR-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen ELBE. Mit den intensiven Lichtblitzen der Anlage lassen sich Materialzustände auf atomarer Ebene untersuchen. Quelle: HZDR / O. Killig



Wie verhält sich Graphen, wenn es mit intensivem Infrarotlicht bestrahlt wird? Als Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) diese Frage experimentell untersuchten, erlebten sie eine Überraschung: Die hauchdünne Kohlenstoff-Variante zeigte ein ungewöhnliches Verhalten bei der Absorption der Strahlung. Von den Erkenntnissen könnte die Entwicklung von Lasern für die Materialbearbeitung profitieren. Die Wissenschaftler präsentieren ihre Resultate in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications (DOI: 10.1038/NCOMMS15042).

Graphen ist eine besondere Form von Kohlenstoff – es besteht aus einer ultradünnen Schicht aus genau einer Lage von Atomen und besitzt außergewöhnliche Eigenschaften: Es ist zugfester als Stahl und leitet elektrischen Strom ausgesprochen gut, was es zu einem vielversprechenden Kandidaten für künftige Elektronikbauteile macht. Das Team um Dr. Stephan Winnerl interessierte sich jedoch für die optischen Eigenschaften. „Graphen absorbiert elektromagnetische Strahlung über einen weiten Wellenlängenbereich“, erläutert der HZDR-Physiker. „Das macht es für den Einsatz in Lasern interessant.“

In ihrem Projekt untersuchten die Dresdner Forscher gemeinsam mit Kollegen aus Berlin, Göteborg und Atlanta, auf welche Weise Graphen Infrarotstrahlung absorbiert, also „verschluckt“. Das Besondere an den Kohlenstoff-Folien: Anders als die meisten Materialien bleiben sie über den gesamten Infrarotbereich absorbierend – zumindest, wenn die Intensität der einfallenden Strahlung nicht zu hoch ist. Überschreitet diese Intensität jedoch ein gewisses Level, lässt auch Graphen die Strahlung passieren – die Experten sprechen vom Ausbleichen, einem nichtlinearen optischen Effekt. Im Gegensatz zum Ausbleichen von Wäsche oder Kunststoffen ist dieser Prozess beim Graphen jedoch nicht dauerhaft. Sinkt die Intensität der einfallenden Strahlung, wird das Material flugs wieder undurchlässig.

Möglicher Einsatz in der Lasertechnik
Bei ihren Arbeiten haben die Forscher nun entdeckt, dass sich dieser Prozess in mehreren Schritten vollzieht: Bereits bei einer relativ geringen Intensität der Infrarotstrahlung bleicht das Graphen teilweise aus, wird also ein wenig lichtdurchlässiger. Der Grund: „Die Strahlung beeinflusst die Elektronen im Material so, dass sie untereinander streuen, sich also gegenseitig wegstoßen“, erklärt Winnerl. „Ab einer bestimmten Strahlungsintensität tritt dabei eine gewisse Sättigung ein – mit dem Effekt, dass das Graphen teilweise ausbleicht.“

Relevant könnte das Ergebnis für die Lasertechnik sein – speziell für Kurzpuls-Laser, wie sie in der Industrie für die Materialbearbeitung Verwendung finden. In manchen Lasersystemen kommt Graphen schon heute als sogenannter sättigbarer Absorber zum Einsatz – ein zentrales Bauteil bei der Laserblitz-Erzeugung. Der Absorber sitzt zwischen den Spiegeln des Lasers, die das Licht hin- und herwerfen. Bei niedriger Intensität dämpft das Graphen das Licht, sodass die für das „Lasen“ erforderliche Schwelle nicht erreicht wird. Dadurch reichert sich die im Laser gespeicherte Energie weiter an. Ab einer gewissen Grenze bleicht der Absorber schlagartig aus und lässt das Licht passieren – in Form eines intensiven, ultrakurzen Laserpulses. Sofort danach macht der Absorber wieder „dicht“ und der Prozess kann von neuem beginnen. „Graphen ist ein vielversprechendes Absorbermaterial, es ist sehr stabil und eignet sich für verschiedenste Lichtwellenlängen“, erklärt Winnerls Kollege Jacob König-Otto. „Unsere Erkenntnisse tragen zum Verständnis der grundlegenden Prozesse bei und könnten dadurch helfen, bessere Absorber zu konstruieren.“

Frequenzen vervielfachen mit Graphen
In einem zweiten Experiment untersuchten die Forscher eine Graphenprobe in einem Magnetfeld von fünf Tesla – das 100.000fache des Erdmagnetfelds. Dieses Feld veränderte die Zustände der Elektronen im Graphen recht deutlich, was sich mit dem intensiven Strahl des Freie-Elektronen-Lasers FELBE präzise vermessen ließ. „Dadurch konnten wir bestimmen, wie nichtlinear das Material auf die Strahlung reagiert“, erläutert König-Otto. Dieses nichtlineare optische Verhalten führt unter anderem dazu, dass die Frequenz des eingestrahlten Lichts vervielfacht werden kann.

Solche Frequenzvielfacher dienen als wichtige Werkzeuge in der Laserforschung. „Wie es unsere Kollegen der Texas A&M University theoretisch vorhergesagt haben, reagiert Graphen ausgesprochen nichtlinear gegenüber intensivem Licht“, fasst Stephan Winnerl zusammen. „Das bedeutet, dass sich das Material grundsätzlich für die Frequenzvervielfachung eignet.“ Das Physikerteam hat diese Ergebnisse vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nano Letters“ vorgestellt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Arbeiten innerhalb des Schwerpunktprogramms „Graphen“ gefördert.

_Publikationen:
T. Winzer, M. Mittendorff, S. Winnerl, H. Mittenzwey, R. Jago, M. Helm, E. Malic, A. Knorr: Unconventional double-bended saturation of carrier occupation in optically excited graphene due to many-particle interactions, in Nature Communications, 2017 (DOI: 10.1038/NCOMMS15042)

J. C. König-Otto, Y. Wang, A. Belyanin, C. Berger, W. A. de Heer, M. Orlita, A. Pashkin, H. Schneider, M. Helm, S. Winnerl: Four-Wave Mixing in Landau-Quantized Graphene, in Nano Letters, 2017 (DOI: 10.1021/acs.nanolett.6b04665)

_Weitere Informationen:
Dr. Stephan Winnerl | Jacob C. König-Otto
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel. +49 351 260-3522

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Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
                    Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
                    Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
                    Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.


Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Hamburg, Leipzig) und beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.