Wie verhält sich Graphen, wenn es mit intensivem
Infrarotlicht bestrahlt wird? Als Forscher des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR) diese Frage experimentell untersuchten, erlebten sie
eine Überraschung: Die hauchdünne Kohlenstoff-Variante zeigte ein
ungewöhnliches Verhalten bei der Absorption der Strahlung. Von den
Erkenntnissen könnte die Entwicklung von Lasern für die Materialbearbeitung
profitieren. Die Wissenschaftler präsentieren ihre Resultate in der aktuellen
Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications (DOI: 10.1038/NCOMMS15042).
Graphen ist eine besondere Form von Kohlenstoff – es besteht
aus einer ultradünnen Schicht aus genau einer Lage von Atomen und besitzt
außergewöhnliche Eigenschaften: Es ist zugfester als Stahl und leitet
elektrischen Strom ausgesprochen gut, was es zu einem vielversprechenden
Kandidaten für künftige Elektronikbauteile macht. Das Team um Dr. Stephan
Winnerl interessierte sich jedoch für die optischen Eigenschaften. „Graphen
absorbiert elektromagnetische Strahlung über einen weiten Wellenlängenbereich“,
erläutert der HZDR-Physiker. „Das macht es für den Einsatz in Lasern
interessant.“
In ihrem Projekt untersuchten die Dresdner Forscher
gemeinsam mit Kollegen aus Berlin, Göteborg und Atlanta, auf welche Weise
Graphen Infrarotstrahlung absorbiert, also „verschluckt“. Das Besondere an den
Kohlenstoff-Folien: Anders als die meisten Materialien bleiben sie über den
gesamten Infrarotbereich absorbierend – zumindest, wenn die Intensität der
einfallenden Strahlung nicht zu hoch ist. Überschreitet diese Intensität jedoch
ein gewisses Level, lässt auch Graphen die Strahlung passieren – die Experten
sprechen vom Ausbleichen, einem nichtlinearen optischen Effekt. Im Gegensatz
zum Ausbleichen von Wäsche oder Kunststoffen ist dieser Prozess beim Graphen
jedoch nicht dauerhaft. Sinkt die Intensität der einfallenden Strahlung, wird
das Material flugs wieder undurchlässig.
Möglicher Einsatz in der Lasertechnik
Bei ihren Arbeiten haben die Forscher nun entdeckt, dass
sich dieser Prozess in mehreren Schritten vollzieht: Bereits bei einer relativ
geringen Intensität der Infrarotstrahlung bleicht das Graphen teilweise aus,
wird also ein wenig lichtdurchlässiger. Der Grund: „Die Strahlung beeinflusst
die Elektronen im Material so, dass sie untereinander streuen, sich also gegenseitig
wegstoßen“, erklärt Winnerl. „Ab einer bestimmten Strahlungsintensität tritt
dabei eine gewisse Sättigung ein – mit dem Effekt, dass das Graphen teilweise
ausbleicht.“
Relevant könnte das Ergebnis für die Lasertechnik sein –
speziell für Kurzpuls-Laser, wie sie in der Industrie für die
Materialbearbeitung Verwendung finden. In manchen Lasersystemen kommt Graphen
schon heute als sogenannter sättigbarer Absorber zum Einsatz – ein zentrales
Bauteil bei der Laserblitz-Erzeugung. Der Absorber sitzt zwischen den Spiegeln
des Lasers, die das Licht hin- und herwerfen. Bei niedriger Intensität dämpft
das Graphen das Licht, sodass die für das „Lasen“ erforderliche Schwelle nicht
erreicht wird. Dadurch reichert sich die im Laser gespeicherte Energie weiter an.
Ab einer gewissen Grenze bleicht der Absorber schlagartig aus und lässt das
Licht passieren – in Form eines intensiven, ultrakurzen Laserpulses. Sofort
danach macht der Absorber wieder „dicht“ und der Prozess kann von neuem
beginnen. „Graphen ist ein vielversprechendes Absorbermaterial, es ist sehr
stabil und eignet sich für verschiedenste Lichtwellenlängen“, erklärt Winnerls
Kollege Jacob König-Otto. „Unsere Erkenntnisse tragen zum Verständnis der
grundlegenden Prozesse bei und könnten dadurch helfen, bessere Absorber zu
konstruieren.“
Frequenzen vervielfachen mit Graphen
In einem zweiten Experiment untersuchten die Forscher eine
Graphenprobe in einem Magnetfeld von fünf Tesla – das 100.000fache des
Erdmagnetfelds. Dieses Feld veränderte die Zustände der Elektronen im Graphen
recht deutlich, was sich mit dem intensiven Strahl des Freie-Elektronen-Lasers
FELBE präzise vermessen ließ. „Dadurch konnten wir bestimmen, wie nichtlinear
das Material auf die Strahlung reagiert“, erläutert König-Otto. Dieses nichtlineare
optische Verhalten führt unter anderem dazu, dass die Frequenz des
eingestrahlten Lichts vervielfacht werden kann.
Solche Frequenzvielfacher dienen als wichtige Werkzeuge in
der Laserforschung. „Wie es unsere Kollegen der Texas A&M University theoretisch
vorhergesagt haben, reagiert Graphen ausgesprochen nichtlinear gegenüber
intensivem Licht“, fasst Stephan Winnerl zusammen. „Das bedeutet, dass sich das
Material grundsätzlich für die Frequenzvervielfachung eignet.“ Das Physikerteam
hat diese Ergebnisse vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nano Letters“
vorgestellt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Arbeiten
innerhalb des Schwerpunktprogramms „Graphen“ gefördert.
_Publikationen:
T. Winzer,
M. Mittendorff, S. Winnerl, H. Mittenzwey, R. Jago, M. Helm, E. Malic, A.
Knorr: Unconventional double-bended saturation of carrier occupation in
optically excited graphene due to many-particle interactions, in Nature
Communications, 2017 (DOI: 10.1038/NCOMMS15042)
J. C.
König-Otto, Y. Wang, A. Belyanin, C. Berger, W. A. de Heer, M. Orlita, A.
Pashkin, H. Schneider, M. Helm, S. Winnerl: Four-Wave Mixing in
Landau-Quantized Graphene, in Nano Letters, 2017 (DOI:
10.1021/acs.nanolett.6b04665)
_Weitere Informationen:
Dr. Stephan Winnerl | Jacob C. König-Otto
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel. +49 351 260-3522
E-Mail: s.winnerl@hzdr.de
| j.koenig-otto@hzdr.de
_Medienkontakt:
Simon Schmitt | Wissenschaftsredakteur
Tel. +49 351 260-3400 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf | Bautzner Landstr. 400
| 01328 Dresden | www.hzdr.de
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf
den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen
hierbei im Fokus:
•
Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient,
sicher und nachhaltig?
•
Wie können Krebserkrankungen besser
visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
•
Wie verhalten sich Materie und Materialien unter
dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt
das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt
werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für
Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf
Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Hamburg, Leipzig) und beschäftigt rund
1.100 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.