Prof. Pascale Ehrenfreund eröffnete die
5. Industrial Days
Quelle: DLR/Frank Eppler
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Der Stellenwert der globalen Vernetzung in der Raumfahrt
ist enorm gestiegen. Die immer breitere Digitalisierung und die damit
einhergehende stetig wachsende Datenmenge definieren die Anforderungen an den
Raumfahrtsektor neu. Pläne für einen langfristigen Ausbau großer
Satellitennetzwerke im All als Basis für ein weltweites Kommunikationssystem
manifestieren sich zunehmend. Der Betrieb und die Nutzung von
Kleinsatellitennetzwerken im Low Earth Orbit (LEO) bietet zukünftig vielfältige
kommerzielle Anwendungen wie beispielsweise in der Erdbeobachtung oder im
Katastrophenmanagement. Sind unsere Trägersysteme als Basis für den Aufbau der
neuen Satelliteninfrastrukturen am besten geeignet? Und welche Anforderungen
und technische Konsequenzen an die europäischen Trägersysteme ergeben sich
hieraus? Über die Zukunft des europäischen Raumtransports sprachen führende
Vertreter aus Raumfahrtagenturen, Industrie und Wissenschaft bei den 5.
Industrial Days des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am
Standort Lampoldshausen vom 11. bis 12. April 2017.
Raumfahrt neu denken
Die europäischen Trägerraketen mit Ariane, Vega und Sojus
gehören zu den zuverlässigsten Systemen auf dem globalen Markt. Digitalisierung
und Vernetzung verändern zunehmend die Art, wie wir die Raumfahrt nutzen – im
Raumtransport zeichnet sich diese Veränderung schon heute spürbar ab. „Es ist
wichtiger denn je, den Grundgedanken der bewährten Trägersysteme auf den
Prüfstand zu stellen. Der innovative Kerngedanke ist der ressourcenschonende
und individuelle Raumtransport“, fasste Prof. Pascal Ehrenfreund, Vorsitzende
des DLR-Vorstands, den Wandel in einem digitalen Umfeld zusammen. „Der Launcher
der Zukunft muss noch stärker als bislang nach marktwirtschaftlichen Zielen
ausgerichtet sein: Er umfasst Innovationen aus anderen Industrien, ist anwendungs-
und kundenorientiert sowie schnell verfügbar“, ergänzte Prof. Ehrenfreund.
Der Weg zur Ariane 6 und darüber hinaus
Wettbewerbsfähig und zuverlässig, leistungsfähig und
flexibel – diese Adjektive beschreiben die Ariane-Trägerfamilie, die nun in der
Ariane 6 konsequent weitergeführt werden sollen. Im Ariane-6-Programm hat
Airbus Safran Launchers, industrieller Hauptauftragnehmer, die entscheidenden
Meilensteine erreicht: Zum einen wurde die technische Reife des Trägersystems
bestätigt, zum anderen hat die Europäische Weltraumorganisation ESA mit der
Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung zum ursprünglichen Ariane-6-Vertrag die
nötigen Mittel für den Abschluss der Entwicklung und der Industrialisierung
freigegeben. Von großer Bedeutung ist es dabei, die Startkosten zu senken, ohne
die Zuverlässigkeit des Trägers einzuschränken. Zugleich sollen die
Leistungsfähigkeit und Kosteneffizienz der Ariane 5 weiter erhöht werden, um
auf einem immer härter umkämpften Markt bestehen zu können. Ab 2023 soll die
Ariane 6 bis zu zwölfmal im Jahr fliegen und die bestehende Ariane 5 ersetzen.
Die Indienststellung der Ariane 6 haben die europäischen
Raumfahrtakteure fest im Blick. Darüber hinaus verfolgt Europa schon heute
aktiv die Vorbereitung eines künftigen Trägersystems: Im „Prometheus-Projekt“
arbeiten die französische nationale Raumfahrtagentur CNES, Airbus Safran
Launchers und das DLR gemeinsam an der Entwicklung eines kostengünstigen,
schubstarken und wiederverwendbaren Raketentriebwerks, das mit Flüssigsauerstoff
(LOX) und Methan angetrieben werden soll. Die Nutzung von Methan als
Raketentreibstoff wird seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Projekten weltweit
untersucht. Ein LOX/Methan-Antrieb kam jedoch bislang noch nie in einer
Trägerrakete zum Einsatz. Die Forschung und Technologieentwicklung im Rahmen
des „Prometheus-Programms“ sind seit der ESA-Ministerratskonferenz in 2016, dem
politischen Gremium der europäischen Raumfahrtpolitik, Teil des Future
Launchers Preparatory Programme (FLPP) der ESA.
Forschen für den Einstieg in neue Technologien
In der Entwicklung neuer flüssiger chemischer
Raumfahrtantriebe spielt die Treibstoffkombination Methan und Flüssigsauerstoff
eine vielversprechende Rolle. Die Möglichkeiten von Methan reichen von einer
Ergänzung zu den derzeitigen Flüssigkeitsantrieben der Ariane-Trägerraketen bis
hin zum vollständigen Ersatz von Flüssigwasserstoff. Im „Prometheus-Projekt“
arbeiten DLR-Ingenieure nun daran, die LOX/Methan-Technologie möglichst schnell
zu entwickeln und für die europäische Raumfahrt zum Einsatz zu bringen. Die
Ziele sind klar formuliert: Bereits in 2016 sind Airbus Safran Launchers und
das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe eine Allianz eingegangen, um zügig die
LOX/Methan-Technologie voranzutreiben. Während die Ingenieure von Airbus Safran
Launchers einen entsprechenden Technologiedemonstrator designt und gefertigt
haben, bauten die DLR-Ingenieure den Prüfstand P3 auf die komplett neuen
Bedingungen, insbesondere der Treibstoffversorgung, um. In einer zwölf Monate
dauernden Testkampagne erzielten die Projektpartner wichtige Ergebnisse zur
Weiterentwicklung notwendiger kritischer Technologien wie beispielsweise der
Brennkammer. „Mit dieser Testkampagne haben wir den Einstieg in die neue
LOX/Methan-Technologie bereitet“, erläuterte Dr. Gerald Hagemann,
verantwortlicher Engineering-Leiter für flüssige Raumfahrtantriebe bei Airbus
Safran Launchers. Ziel ist es, nach Abschluss der Vulcain 2.1 Testkampagne, dem
Hauptstufentriebwerk der Ariane-6-Rakete, ein LOX/Methan-Technologiedemonstrator
mit 100 Tonnen Schub unter repräsentativen Bedingungen auf dem Prüfstand P5 des
DLR Testzentrums für Raketenantriebe in Lampoldshausen zu testen. Dieses
LOX/Methan-Triebwerk hat das Potenzial, die Kosten des in den 1980er Jahren entwickelten
europäischen Hauptstufentriebwerks Vulcain um den Faktor zehn zu verringern.
DLR Lampoldshausen – Testzentrum als Rückgrat des
europäischen Raumtransports
„Bei der Entwicklung der LOX/Methan-Technologie bringt
das DLR Lampoldshausen seine einzigartigen Kompetenzen als europäischer
Test-und Entwicklungsstandort für alle flüssigen chemischen Raumfahrtantriebe
ein“, betonte Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für
Raumfahrtantriebe. Der wegweisende Ausbau der Forschungsaktivitäten ist dafür
entscheidend, dass Lampoldshausen innerhalb der bestehenden Allianzen weit über
die Entwicklung der Ariane-6-Rakete hinaus das europäische Testzentrum für alle
flüssigen chemischen Raumfahrtantriebe bleibt. „Unsere Zukunft beim DLR
Lampoldshausen liegt neben dem Betrieb der Prüfstandsanlagen auch in der
Systemkompetenz“, ergänzte Prof. Stefan Schlechtriem. So werden beispielsweise
im neuen DLR-Projekt „LUMEN“ die Forschungsziele von der Komponentenebene auf
die Systemebene eines gesamten Antriebs erweitert. Im Rahmen von „LUMEN“ wird
dabei ein pumpengefördertes LOX/Methan-Triebwerk entwickelt und später am
europäischen Forschungs- und Technologieprüfstand P8 auf dem DLR-Gelände
getestet. „Gemeinsam mit unseren Projektpartnern von Airbus Safran Launchers
und CNES erzielen wir hierbei Ergebnisse, die wir den Triebwerksentwicklern in
einer frühen Phase zur Verfügung stellen können“, erläuterte Prof. Schlechtriem
den Ausbau der Forschungsaktivitäten. Auch im Betrieb großer Prüfstandsanlagen
werden markante Zeichen gesetzt: „Wir erarbeiten ein Konzept für einen
effizienten und optimierten Betrieb der Prüfstandsanlagen, bei dem die
Digitalisierung und Technologien aus dem Bereich Industrie 4.0 zum Einsatz
kommen. Aspekte wie Flexibilität hinsichtlich Treibstoffversorgung,
Datenverarbeitung, Qualität und Arbeitssicherheit stehen hierbei im
Vordergrund. Die Voraussetzung für einen langfristigen Erfolg ist dabei vor
allem die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen reagieren zu können“, so
Schlechtriem weiter.
DLR seit mehr als 55 Jahren in Lampoldshausen
Das DLR am Standort Lampoldshausen betreibt einmalige
Prüfstände und Anlagen zum Testen von Raketenantrieben, die für die europäische
Raumfahrt von entscheidender Bedeutung sind. Diese Testanlagen decken das gesamte
Portfolio der Testanforderungen ab: vom Komponententest über die
Triebwerkstests hin zur Erprobung ganzer Raketenstufen. Es werden sowohl
Versuche für Forschung und Entwicklung durchgeführt als auch Qualifikations-
und Charakterisierungstests.
Um möglichst flugähnliche Testbedingungen zu haben,
simulieren die Prüfstände die Rakete. Die Triebwerke werden stufenähnlich über
die entsprechenden Schnittstellen mit allen Treibstoffen und Fluiden versorgt.
Die Testanlagen messen die Daten, steuern, regeln und überwachen die Prüflinge
im laufenden Betrieb. Weiterhin stellen die Prüfstände bei Bedarf besondere
Umgebungsbedingungen her. Bei der sogenannten Höhensimulation werden
Satelliten- und Oberstufentriebwerke im Vakuum getestet. Die extrem heißen und
schnellen Triebwerksabgase werden direkt abgesaugt und über eine spezielle
Anlage so kontrolliert weggefördert, dass das Triebwerk selbst dauerhaft unter
Weltraumbedingungen betrieben werden kann.
Die Forschungsarbeiten finden auf verschiedenen Skalen
statt, von Untersuchungen am Laborbrenner bis zu Tests unter Bedingungen, wie
sie für Stufenantriebe wie beispielsweise Vulcain 2.1 und Vinci repräsentativ
sind. Dies wird durch die in Europa einzigartige Infrastruktur des Standorts
und die Expertise im Entwurf und im Testen von Forschungsbrennkammern
ermöglicht. „So können neue Technologien unter repräsentativen Bedingungen
verifiziert werden“, erläuterte Prof. Stefan Schlechtriem. „Unsere Forschungs-
und Testaktivitäten tragen so entscheidend zur Zukunft des europäischen
Raumtransports bei.“
Kontakte:
Prof. Dr. Stefan Schlechtriem
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Direktor
Institut für Raumfahrtantriebe
Tel.: +49 6298 28-203
Anja Kaboth
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation Lampoldshausen
Tel.: +49 6298 28-201
Fax: +49 6298 28-112