Weltraummüll
Quelle: TU Braunschweig.
7. Europäische Konferenz über Weltraumrückstände vom 18.
bis 21. April in Darmstadt
Am 15. Februar 2017 hat eine indische Trägerrakete die
Rekordanzahl von 104 Satelliten gleichzeitig ins All gebracht - neben einem 714
Kilogramm schweren Erdbeobachtungssatelliten und zwei kleineren
Technologieerprobungssatelliten gehörten 101 Kleinsatelliten mit Gewichten
zwischen etwa einem und vier Kilogramm zum Gepäck. Was bedeuten Starts solcher
Satellitenflotten für die Forschung und den Umgang mit Weltraumrückständen?
Tatsächlich ist die Anzahl der Satelliten, die in den
Orbit gebracht werden, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das hängt
unter anderem damit zusammen, dass unser Leben immer stärker von
satellitenbasierten Produkten und Diensten - wie Internet und Mobilfunk -
abhängt. Zudem verzeichnen wir auch in der Raumfahrt einen Trend zur
Miniaturisierung, gekoppelt mit kostengünstigeren Startmöglichkeiten wie
Mitfluggelegenheiten. Viele dieser Satelliten sind Kleinsatelliten, sogenannte
CubeSats, die zum einen von Universitäten und Forschungseinrichtungen für
Ausbildungszwecke gebaut werden, zum anderen aber auch kommerziell genutzt
werden. Diese Entwicklungen haben natürlich Folgen für die Forschung zu
Weltraumrückständen: Mehr Objekte im Orbit bedeuten auch, dass das Risiko von
Kollisionen ansteigt und die Satellitenbetreiber mit einer steigenden Zahl von
notwendigen Ausweichmanövern rechnen müssen.
Ein großes Thema bei der Konferenz sind die so genannten
Megakonstellationen. Was versteht man darunter? Wo sehen Sie Chancen, wo
Risiken?
Die von einigen Unternehmen geplanten Megakonstellationen
bestehen aus vielen hunderten Satelliten, die wie an einer Perlenschnur
aufgereiht auf unterschiedlich orientierten Umlaufbahnen im niedrigen Erdorbit
in etwa 1.000 Kilometer Höhe gebracht werden sollen. Erste Testsatelliten
sollen in 2018 gestartet werden.
Durch Megakonstellationen soll vor allem eine weltweite
Versorgung mit Internetzugängen ermöglicht werden. Gleichzeitig kann es durch
die große Zahl an neuen Satelliten im Erdorbit zu Kollisionen mit Weltraummüll
kommen, bei denen viele neue Trümmer entstehen. Auf der Konferenz geht es
deshalb auch darum, die damit zusammenhängenden Gefahren und Einflüsse auf den
Erdorbit besser zu verstehen. Ein Beispiel: wenn die Satelliten einer
Megakonstellation am Ende ihrer Lebensdauer nicht zuverlässig aus dem Orbit
entfernt werden könnten, besteht eine hohe Gefahr, dass diese Satelliten mit
Weltraummüll kollidieren, zersplittern und die Trümmer in einem Kaskaden-Effekt
zu Folgekollisionen führen.
Bei dem europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel
1-A hat am 23. August 2016 ein Weltraummüll-Teilchen eine 40 Zentimeter große
Delle in einem der beiden Solarpanels des Satelliten hinterlassen. Wie
gefährlich sind solche Einschläge und warum? Wie oft kommt es zu solchen
Kollisionen?
Das Teilchen, das diesen Schaden verursacht hat, war
vermutlich nur etwa fünf Millimeter groß. Solche kleinen Teilchen kann man
nicht erkennen und nicht katalogisieren. Wenige Millimeter große Objekte können
dabei zu Funktionsstörungen oder Schäden an einzelnen Systemen des Satelliten
führen. Bei Sentinel-1A führte das zu einem Verlust an Leistung des
Solargenerators. Größere Objekte ab etwa einem Zentimeter Durchmesser haben bei
einer typischen Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 40.000 Stundenkilometern
bereits eine große Zerstörungskraft. Ab einer Größe von etwa zehn Zentimetern
kann ein Satellit durch einen Treffer vollständig beschädigt werden und in
viele tausend Fragmente zerbrechen. Zusammenstöße mit großen Trümmern passieren
allerdings sehr selten, etwa alle zehn Jahre. Insgesamt ist das Risiko für die
Raumfahrt zurzeit noch nicht sehr groß.
Wie kann Weltraummüll vermieden werden?
Wenn neue Satelliten gestartet werden, geht es vor allem
darum, keinen weiteren Weltraummüll zu erzeugen. Dies wird bereits bei Planung
und Bau berücksichtigt. Treibstoffe müssen zum Schluss einer Mission verbraucht
sein, um Explosionen zu verhindern. Und Satelliten werden heute so gebaut, dass
sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre möglichst vollständig verglühen.
So kann das Risiko vermindert werden, dass Teile auf der Erde auftreffen. Des
Weiteren müssen Kollisionen der Satelliten im Orbit verhindert und
Satellitenbetreiber rechtzeitig gewarnt werden, damit sie ihre Satelliten
notfalls ausweichen lassen können.
Wie wichtig ist die internationale Zusammenarbeit?
Der Erdorbit ist eine gemeinsame Ressource aller
Nationen. Daher kann man nur durch ein weltweit abgestimmtes Handeln eine
langfristige und nachhaltige Nutzung des Orbits sicherstellen. Internationale
Zusammenarbeit ist deshalb absolut notwendig. Deutschland ist hier sowohl
wissenschaftlich als auch politisch tätig. So treffen sich im Anschluss an
diese Konferenz Wissenschaftler von 13 Raumfahrtagenturen - neben dem DLR etwa
von der ESA, der NASA, der russischen Raumfahrtagentur ROSCOSMOS und der
japanischen Raumfahrtbehörde JAXA - um Themen wie Vermeidungsmaßnahmen von
Weltraummüll noch intensiver zu diskutieren und eine gemeinsame
wissenschaftliche Grundlage zu schaffen. Auch bei den Vereinten Nationen wird
das Thema Vermeidung von Weltraummüll diskutiert und aktiv von deutschen
Experten unterstützt.
Welche Rolle spielt Deutschland beim Thema Weltraummüll?
In Deutschland wird seit mehr als 20 Jahren intensiv zum
Thema Weltraummüll und Weltraumrückstände geforscht. So berechnen
Wissenschaftler zum Beispiel, wie sich der aktuelle Weltraummüll verteilt,
dessen Bahnen man nicht messen kann, weil die Teile hierfür zu klein sind. Wir
machen Experimente zu den Auswirkungen von Einschlägen auf Satelliten und damit
verbunden zu der Entwicklung von Schutzmaßnahmen für Satelliten.
Operativ hat Deutschland Ende 2009 das vom Wirtschafts-
und Verteidigungsministerium initiierte und gemeinsam vom DLR
Raumfahrtmanagement und der Luftwaffe betriebene Weltraumlagezentrum der
Bundesregierung in Uedem am Niederrhein eingerichtet. Hier analysieren deutsche
Experten in Kooperation mit internationalen Partnern die Weltraumumgebung.
Dabei geht es um den Schutz unserer Satelliten vor Kollisionen und um den
Schutz der Bevölkerung vor wiedereintretenden Weltraumobjekten.
Was hat sich seit der letzten Konferenz vor vier Jahren
getan?
Die neuen Trends hin zu kleineren Satelliten spielen eine
wichtigere Rolle. Zudem sind neue Forschungsaktivitäten gestartet worden. So
hat das DLR Raumfahrtmanagement das Fraunhofer Forschungsinstitut für
Hochfrequenzphysik und Radartechnik mit der Entwicklung und dem Bau eines
leistungsfähigen Radars zur Überwachung und Verfolgung von Objekten im erdnahen
Weltraum beauftragt. Das GESTRA (German Experimental Space Surveillance and
Tracking Radar) ist ein experimentelles Weltraumüberwachungsradar, mit dem
Bahndaten von Satelliten und Trümmern im niedrigen Erdorbit in einer Höhe
zwischen 500 und 1200 Kilometern erfasst werden sollen. Es wird voraussichtlich
Ende 2017 die ersten Messungen vornehmen. Das DLR fördert in seiner Eigenschaft
als Raumfahrtagentur solche Vorhaben, erforscht aber auch an seinen eigenen
Instituten, zum Beispiel in Stuttgart, wie die Bahn von Weltraumschrott mit
Lasern genauer bestimmt werden kann. Auch im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum
(GSOC) beim DLR in Oberpfaffenhofen befassen sich Ingenieure und
Wissenschaftler mit Methoden, die für einen sicheren Betrieb der vom GSOC
gesteuerten Satelliten bedeutsam sind. Das DLR arbeitet zudem eng mit der ESA
zusammen, die hier in Darmstadt am europäischen Raumflugkontrollzentrum über
ein eigenes Büro für Weltraumrückstände verfügt.
Was ist Weltraummüll?
Als Weltraummüll bezeichnen wir alle vom Menschen
hergestellten Objekte, die sich im Weltraum befinden und keine Funktion mehr
erfüllen. Typische Beispiele sind ausgediente Raketenoberstufen oder
abgeschaltete Satelliten. Zahlenmäßig den größten Teil machen Trümmerteile aus,
die entstehen, wenn Raumfahrzeuge auseinanderbrechen, weil beispielsweise
Treibstoffreste explodieren, oder die durch Kollisionen zwischen verschiedenen
Weltraummüll-Teilen im Orbit entstehen. Derzeit sind etwa 18.000
Weltraummüll-Teile mit einer Größe von etwa zehn Zentimetern katalogisiert.
Diese Daten werden zentral von den USA erfasst und zur Verfügung gestellt und
im Weltraumlagezentrum in Uedem zusammen mit eigenen Messdaten weiter
verarbeitet zum Schutz unserer Satelliten vor Kollisionen und dem Schutz der
Bevölkerung vor wiedereintretenden Weltraumobjekten. Simulationen zufolge
befinden sich 750.000 Trümmer im Orbit, die größer als einen Zentimeter sind
und etwa 150 Millionen Teile, die größer als einen Millimeter sind. Die größte
Ansammlung von Weltraummüll befindet sich in rund 800 bis 900 Kilometern Höhe,
da diese Orbits besonders häufig genutzt werden.
Kontakte:
Elisabeth Mittelbach
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation, Raumfahrtmanagement
Tel.: +49 228 447-385
Fax: +49 228 447-386
Dr. Manuel Metz
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Raumfahrtmanagement,
Technik für Raumfahrtsysteme und Robotik
Tel.: +49 228 447-511
Fax: +49 228 447-718
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