Wie reagieren bei Stammtischparolen?
Augsburg/MH – Mit welchen Kommunikationstechniken platten Stammtischparolen
begegnet werden kann, die sich durch einen dogmatischen Anspruch auf
Allgemeingültigkeit auszeichnen, hat der Augsburger Pädagoge Dr. Christian
Boeser-Schnebel mit Kollegen mehrere Jahre erforscht. Ihre Erkenntnisse sind
nun in ein Buch sowie in ein Konzept für ein Argumentationstraining
eingeflossen, welches insbesondere in Bayern und Sachsen sehr intensiv
nachgefragt wird.
„Die Politiker interessieren sich
alle nur noch für ihre Karriere, nicht mehr für uns Bürger“ oder „Das waren
bestimmt Asylanten, das weiß doch jeder“ – solche oder andere aggressiven,
pauschalisierenden und diskriminierenden Parolen gibt es leider immer wieder.
Im ersten Moment sind diejenigen, die damit konfrontiert werden, schockiert und
suchen dann teils die Konfrontation. „Solche Stammtischparolen sind keine
Einladung zum Diskurs, sondern festgemauerte Aussagen von Menschen, die
glauben, ihre Meinung hätte einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit“, weiß der
Augsburger Pädagoge Dr. Christian Boeser-Schnebel. Seit 2012 Jahren entwickelt
er Trainings für Multiplikatoren in Vereinen, Parteien und anderen
Organisationen, wie sie in ihrem Alltag richtig mit solchen Aussagen umgehen
können. „Versucht man mit eigenen Gegenargumenten den anderen belehrend von
seinem Weltbild zu überzeugen, geschieht genau das Gegenteil“. Der zentrale
Ansatzpunkt für ihn ist die eigene Haltung: Nicht missionieren, sondern das
eigentliche Problem herausarbeiten. Das geht am besten mit Fragen zu den
Motiven und der wahrgenommenen Situation zu diesen Parolen statt mit eigenen
Aussagen wie „Das stimmt doch gar nicht!“.
Praktische Tipps für überraschende
Konfrontationen
Auf pauschale Beleidigungen und
Diskriminierungen, die in der Öffentlichkeit geäußert werden, sollte man auf
jeden Fall reagieren und sich distanzieren. Der Wissenschaftler von der
Universität Augsburg rät: Wiederholen Sie zuerst die Parole – „Höre ich
richtig, dass …“ - Sagen Sie, was diese Aussagen bei Ihnen auslösen – „Das
macht mich sauer“ – und sagen Sie, was Sie erwarten – „Solche Sprüche möchte
ich hier nicht hören“. Bei den Trainings, die Christian Boeser-Schnebel in ganz
Deutschland anbietet, möchten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer Argumente
lernen, mit denen sie die Sprücheklopfer umstimmen können. Eine inhaltliche und
zudem konstruktive Auseinandersetzung mit solchen Parolen könne bei einer
spontanen Reaktion nicht entstehen, so der Pädagoge. Denn oft wird man in
Situationen damit konfrontiert, in denen ein klärendes Gespräch gar nicht
möglich sei. Wichtig sei, dass man solche Stammtischparolen nicht stehen lässt
und sich klar dagegen ausspricht. Für eine wirkliche Diskussion sei ein
späterer Zeitpunkt dann sinnvoller. Auch hierfür gibt es in den Workshops
Gesprächstechniken, wie pauschalisierende Sprüche aufgearbeitet werden können.
Argumentationstraining gegen Stammtischparolen
Kommunikationstechniken wie diese
vermitteln die Argumentationstrainings, die der Augsburger Pädagoge mit seinen
Kolleginnen und Kollegen anbietet. Die Teilnehmenden arbeiten dabei gemeinsam
die typischen Merkmale von Stammtischparolen heraus, lernen deren Motive
einzuordnen und die eigene Haltung im Umgang mit diesen zu reflektieren.
Gebucht wird der Workshop von Stiftungen, Schulen, Jugendfeuerwehren,
Volkshochschulen und Parteien in ganz Deutschland –in Bayern und Sachsen ist
die Nachfrage besonders groß. In Sachsen berichten Ehrenamtliche in der
Flüchtlingsarbeit, dass sie sich oftmals für ihr Engagement rechtfertigten
müssten.
Das Konzept für das
Argumentationstraining wurde im Netzwerk Politische Bildung Bayern erarbeitet,
das am Augsburger Lehrstuhl für Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenen- und
Weiterbildung angesiedelt ist. Die Grundlage bildet die Forschung von Prof. Dr.
Klaus-Peter Hufer, der sich bereits vor 15 Jahren mit Parolen zu Rassismus
befasst hat. Aufbauend darauf hat das Augsburger Team das Konzept für das
Themenfeld Politik(er)verdrossenheit fruchtbar gemacht. Am Anfang standen
Forschungsseminare mit Studierenden, die in Interviews mit Bürgerinnen und
Bürgern deren Sicht auf Politik und Politiker erforscht haben. Daraus wurden
Methodenmodule für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt, wie z.B. Schüler,
Jugendliche oder Erwachsene. In Expertenworkshops wurden die Ideen dann
evaluiert und anschließend überarbeitet. Immer wieder wurden diese beiden
Entwicklungsschritte in über 50 Workshops wiederholt, bis das Schulungskonzept
perfekt war.
Erfahrung aus über 50 Workshops jetzt in
einem Buch
Die Erkenntnisse dieser jahrelangen
Forschung kommen nicht nur in den Argumentationstrainings zum Tragen. In dem
Buch „Politik wagen. Ein Argumentationstraining“ von Christian Boeser-Schnebel,
Klaus-Peter Hufer, Karin Schnebel und Florian Wenzel sind die Forschungsergebnisse
gebündelt erschienen. Es eignet sich als Reader für Multiplikatoren, die selbst
solche Argumentationstrainings durchführen und für Bürger, die ihre politische
Urteils- und Handlungsfähigkeit weiter entwickeln möchten.
Im Sommer findet im Bayerischen
Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst eine
Buchvorstellung mit Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und Dr. Theo Waigel,
Bundesminister a. D. sowie Vorsitzender des Kuratoriums der Universität
Augsburg, statt. Eine gesonderte Einladung hierzu erfolgt rechtzeitig.
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Die Entwickler des Argumentationstrainings
Dr. phil. Christian Boeser-Schnebel (christian.boeser@phil.uni-augsburg.de)
Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für
Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung (Prof. Dr. Elisabeth
Meilhammer) an der Universität Augsburg und Projektleiter des Netzwerks
Politische Bildung Bayern (http://www.politische-bildung-bayern.net)
Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer (Klaus-Peter.Hufer@t-online.de)
Außerplanmäßiger Professor für
Erwachsenenbildung an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität
Duisburg-Essen und bis zu seiner Pensionierung Fachbereichsleiter Geistes- und
Sozialwissenschaften der Kreisvolkshochschule Viersen
Dr. phil. Karin B. Schnebel (karin.schnebel@gimuenchen.de)
Dozentin im Studium Generale an der
Münchner Volkshochschule und Vorsitzende des Gesellschaftswissenschaftlichen
Instituts München für Zukunftsfragen (www.gimuenchen.de), Mitarbeiterin im Netzwerk
Politische Bildung Bayern
MA Florian Wenzel (florian.wenzel@peripheria.de)
Selbstständiger Trainer, Moderator
und Prozessbegleiter (www.peripheria.de).
Ausbilder in zertifizierten Programmen des Demokratie-Lernens
(Betzavta/Miteinander und Achtung (+) Toleranz). Freier Mitarbeiter im Netzwerk
Politische Bildung Bayern und der Akademie Führung & Kompetenz am CAP
München.
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Publikation:
„Politik wagen. Ein Argumentationstraining“ von Christian Boeser-Schnebel,
Klaus-Peter Hufer, Karin Schnebel und Florian Wenzel, erschienen im Wochenschau
Verlag, 2016, 160 Seiten, 12,80 Euro.
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Ansprechpartner:
Dr. Christian Boeser-Schnebel
Lehrstuhl für Pädagogik mit
Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung
Universität Augsburg
Universität Augsburg
+49 (0) 821 / 598 – 5562
Weitere Informationen zu den
Workshops unter www.politische-bildung-bayern.net
Verantwortlich:
Pressestelle der Universität Augsburg
Klaus P. Prem / Michael Hallermayer
Tel: 0821/598-2094
Pressestelle der Universität Augsburg
Klaus P. Prem / Michael Hallermayer
Tel: 0821/598-2094