Strömungssimulation mit Luftausblasung auf der Tragfläche |
Hochbegabung in Wissenschaft
und Forschung
Größere und leistungsstärkere Triebwerke machen das
Fliegen effizienter. Immer mehr Platz beanspruchen diese gigantischen
Antriebsmaschinen an den Tragflächen moderner Passagiermaschinen. Dort
beeinflussen sie die Strömung an der Flügeloberfläche und verringern so den
Auftrieb. Insbesondere bei Starts und Landungen muss wegen der Riesentriebwerke
schneller geflogen werden, um den Auftrieb und die Stabilität zu erhalten. Die
Konsequenz: Mit der fortschreitenden Entwicklung größerer Triebwerke wären bald
längere Start- und Landebahnen notwendig. Um das zu verhindern, arbeiten
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an einem
System, mit dem sich die Strömung beeinflussen und damit der Auftrieb steigern
lässt.
Mit Druckluft gegen den Strömungsabriss
Der Schlüssel zu einer Steigerung des Auftriebs ist das
Ausblasen von Druckluft an besonders strömungssensiblen Stellen. Gemeinsam mit
Airbus und vielen weiteren europäischen Partnern haben DLR-Forscher im Rahmen
des EU-Projektes AFLoNext (Active Flow Loads & Noise Control on Next
Generation Wing) die Technik mit Hilfe von Computermodellen untersucht:
"Indem wir durch feine schmale Doppelschlitze an der Vorderkante des
Flugzeugflügels periodisch Luft ausstoßen, können wir das Strömungsverhalten
auf der Profiloberfläche aktiv beeinflussen", erklärt Vlad Ciobaca vom
DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik die Herangehensweise, die an
der TU Berlin entwickelt und in mehreren gemeinsamen Projekten bis zur Anwendungsreife
verfeinert wurde. "Wir konnten zeigen, dass lokale Strömungsablösungen am
Übergang vom Triebwerk zum Flügel fast vollständig unterdrückt werden",
berichtet der Aerodynamiker. Ebenso funktioniert die Technik am Übergang vom
Flügel zur Flügelspitze. Die Druckluft stammt dabei aus sogenannten
Aktuationskammern, die in der Vorderkante des Flügels eingebettet sind.
Weniger Treibstoffverbrauch
Die Forscher sprechen bei der Methode auch vom gepulsten
Ausblasen: "An der Profiloberfläche des Flügels werden auf diese Weise
Wirbel erzeugt, die die oberflächennahe Strömung mit der freien Strömung
vermischen. Dadurch wird der maximale Auftrieb erhöht und der Luftwiderstand
verringert, was zu einem effizienteren Flugzeug mit weniger Treibstoffverbrauch
und CO2-Ausstoß führt", erläutert Ciobaca. "Zugleich kann eine
Maschine mit dieser Technik langsamer fliegen, wodurch kürzere Landestrecken benötigt
werden." Im Gegensatz zu konventionellen Strömungskontrollsystemen
verbraucht die aktive stoßweise Strömungskontrolle weniger Luft, ist
wirkungsvoller und weitgehend wartungsfrei. "Das Konzept der stoßweisen
Luftausblasung an den Flügelvorderkanten ist bereits etabliert, aber bislang
wird es nur an einigen Forschungsflugzeugen eingesetzt. Wir sind die ersten,
die diese Form der aktiven Strömungskontrolle am komplexen
Triebwerk-Flügel-Übergang erforschen", sagt Ciobaca und fügt hinzu:
"Jetzt wird diese Forschung anwendungsrelevant, sie könnte bei
Passagiermaschinen viel verbessern."
Vielversprechende Ergebnisse zur neuen Technik wurden
zuletzt auch im Rahmen des von Airbus geleiteten Verbundprojektes MOVE.ON
gewonnen. Im Niedergeschwindigkeitswindkanal am DLR-Standort Braunschweig
(DNW-NWB) hatten die Forscher die aktive Strömungskontrolle gemeinsam mit den
Technischen Universitäten Berlin und Braunschweig an dem Modell eines Außenflügels mit Erfolg
getestet. Das Projekt MOVE.ON wurde dabei im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Technologie mit Serienreife
Um das System so weit zu entwickeln, dass es serienmäßig
in die Flugzeuge der nächsten Generation eingebaut werden könnte, gehen die
Tests bald in die nächste Runde: Die AFLoNext-Forschergruppe wird – nach
jetziger Planung im kommenden Jahr - nach Moskau reisen und die lokale
Ablösekontrolle an einem beinahe realgroßen Flügel mit Triebwerk in einem der
größten Windkanäle der Welt, dem TsAGI T-101, testen. Ein nächster konsequenter
Schritt zur Technologieverifikation, so die beteiligten Wissenschaftler, wären
dann Flugversuche an einem realen Flugversuchsträger.
Kontakte:
Falk Dambowsky
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Kommunikation,
Redaktion Luftfahrt
Tel.: +49 2203 601-3959
Fax: +49 2203 601-3249
Vlad Ciobaca
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut
für Aerodynamik und Strömungstechnik
Tel.: +49 531 295-2962